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Michael Kroheck von Creapaper
21.02.2020

Wirtschaft: Michael Kroheck über innovative Papierindustrie

Die Papierindustrie kennt heute zwei Rohstoffe: Holz und Recyclingpapier. Die Creapaper aus Hennef produziert in Düren und bietet eine Alternative zu Holz, nämlich Gras. Sie stellt damit eine traditionsreiche Industrie auf den Kopf.

Bei der Herstellung von Graspapier entsteht deutlich weniger CO2 als bei herkömmlicher Produktion, der Wasser- und auch der Stromverbrauch reduzieren sich um mehr als 95 %. Mit diesem Ansatz arbeitet die Creapaper sowohl mit der traditionellen Papierindustrie wie mit Markenartiklern zusammen. Sie entwickeln nachhaltige Verpackungen und helfen somit, die weltweite Plastikflut einzudämmen. 2018 erhielten Sie dafür den Innovationspreis Klima und Umwelt (IKU). Creapaper wurde 2013 gegründet und hat heute 30 Mitarbeiter. In der Papierstadt Düren werden bis zu 25.000 Tonnen Grasfaser als Rohstoff für die Papierproduktion jährlich produziert.

BioökonomieREVIER hat bei Michael Kroheck, Leiter Business Development, nachgefragt, wie Innovation bei Creapaper funktioniert und was das für das Rheinische Revier bedeutet.

Creapaper ist ein Unternehmen mit innovativem Ansatz. Wie ist Ihre Geschäftsidee entstanden?

Unsere Geschäftsidee ist entstanden, als unser Gründer Uwe D‘Agnone vor vielen Jahren im Fernsehen gesehen hat, wie Papier hergestellt wird. Da hat er erstmals realisiert, wie energieintensiv und umweltbelastend dies eigentlich ist. Und da er sich schon immer mit dem Thema nachhaltige Verpackungen beschäftigt hat, hat er überlegt, wie man Papier anders machen kann. Anstatt nach oben in die Baumwipfel hat er nach unten auf den Boden geschaut – und ist auf die Idee mit dem Gras gekommen. Unsere Vision bei Creapaper ist es, Gras als dritte Säule der Rohstoffversorgung für die weltweite Papierindustrie zu etablieren. Neben Frischfaser aus Holz und natürlich neben dem Altpapier.

Was ist die Basis Ihres Geschäftsmodells mit Gras?

Wir haben zwei Ansätze, wie wir den Markt bearbeiten. Zum einen sind wir Rohstofflieferant für die die Papierindustrie. Wir haben ein patentiertes Verfahren, mit demwir aus dem Rohstoff Heu etwas machen können, was die Papierfabrik ohne zusätzliche Investitionen und technische Anpassungen direkt auf ihren Anlagen als alternativen Rohstoff verwenden kann.

Die Papierindustrie ist allerdings sehr traditionell und nicht besonders erpicht auf Veränderungen in ihrer Technologie – diese funktioniert seit hunderten von Jahren immer gleich. Daher ist unser zweiter Teil des Geschäftsmodells, Markenartikler und Retailer direkt anzusprechen. Diese stehen heute vor großen Herausforderungen bei der Verpackung. Das neue Verpackungsgesetz beispielsweise verbietet Altpapier in direktem Kontakt mit Lebensmitteln. Nun sind Unternehmen wie Lidl, REWE, Aldi oder Edeka gefordert, alternative Lösungen für Verpackungen zu finden. Und genau das bieten wir ihnen mit Graspapier an. Mit deren Anfragen gehen wir dann zu den Verpackungsherstellern und Papierfabriken und hier schließt sich der Kreis. Wenn Kunden kommen, gibt es endlich einen Grund, Graspapier herzustellen!

Tragetasche aus Graspapier

Was bedeutet Innovation für Sie und was sind die Herausforderungen der Industrie im Hinblick auf die Struktur-Umbrüche, vor denen wir gerade stehen?

Innovation heißt für mich, etwas anders zu machen, als man es in der Vergangenheit getan hat. Dazu gehört, den Fokus weniger auf Gewinnmaximierung zu richten, sondern mehr auf das Gemeinwohl. Die beiden größten Bereiche, in denen Innovation heute sehr gefragt ist, sind Umweltschutz und Mobilität. Allgemein gesprochen besteht die Herausforderung darin, den Menschen mitzunehmen - den Menschen als Bürger, als Endkunden und als Mitarbeiter. Ich glaube, wir haben gerade schon einen deutlich gravierenderen Umbruch in der Gesellschaft, als wir uns vorstellen. Dieser plötzlich erwachte, starke Wunsch nach Umweltschutz einer ganzen Generation, das ist ein Symptom. Die Ursache, die dahinter steckt, ist eine Unzufriedenheit mit dem Ist-Zustand. Ich glaube, dass die Wirtschaft hierfür die Verantwortung trägt. Am Ende des Tages ist es einfach wichtig, dass man als Region oder als Verantwortlicher diesen Wunsch nach Veränderung ernst nimmt und berücksichtigt bei den eigenen Zielen.

Das BioökonomieREVIER Rheinland soll Modellregion werden für die Bioökonomie. Wo ist bei Ihrem Unternehmen der Bezug zur Region?

Es ist klar, dass die meisten unserer Mitarbeiter hier aus der Region kommen, weil unser Firmensitz hier ist. Noch viel wichtiger ist jedoch das Thema Ressource. Wir versuchen, den Rohstoff für unsere Papierprodukte aus der Region um unseren Produktionsstandort Düren zu gewinnen. Es gilt, hier Graslandschaften zu entdecken, die landwirtschaftlich nicht genutzt werden und die auch sonst nicht monetarisiert werden können. Wir erzeugen eine Win-Win-Situation, indem wir auf die Landwirte oder Kommunen zugehen und fragen, ob sie uns ihr Gras verkaufen wollen. Wir verwenden natürlich gewachsenes Gras, das von Flächen kommt, die nicht gedüngt werden und die nicht an dicht besiedelten Gebieten und vielbefahrenen Verkehrsstraßen liegen. Dies sind beispielsweise ökologische Ausgleichsflächen oder landwirtschaftliche Überschußflächen.

Unsere Kooperation mit der Landwirtschaft vor Ort ist derzeit noch am Anfang. Das Gras für unseren Produktionsstandort Düren beziehen wir von einzelnen Landwirten oder Kommunen. Wenn die Mengen größer werden, wollen wir dies über die Bauernverbände organisieren. Aus diesem Grund freuen wir uns sehr darüber, dass BioökonomieREVIER den Kontakt zur Landwirtschaftskammer vermittelt hat.

Ein weiterer Bezug zur Region bezieht sich auf die Erforschung und Weiterentwicklung der Produktionstechnologien. Die initiale Technologie zur Papierherstellung mit Gras haben wir gemeinsam mit der Universität Bonn entwickelt. Demnächst startet nun eine Kooperation mit dem Forschungszentrum Jülich unter der Verantwortung von Professor Ulrich Schurr. Hier wird es darum gehen, Rohstoffe weiterzuentwickeln und das Thema insgesamt voranzutreiben über entsprechende Förderprogramme und EU-Mittel.

Sie verarbeiten Gras aus der Region. Wie muß man sich hier die Lieferkette vom Material bis zur fertigen Verpackung konkret vorstellen?

Sobald wir eine Fläche lokalisiert haben, werden Grasproben genommen. Wenn das Gras frei ist von Belastungen, machen wir einen Liefervertrag mit dem Landwirt oder der Kommune. Beim Anliefern der Heuballen gibt es dann eine Qualitätsprüfung für jeden einzelnen Ballen. Hier geht es um die Feuchtigkeit des Materials und weitere, erstmal grobe Meßwerte. Und von da aus läßt sich dann - falls der Kunde das möchte - die Herkunft des Materials bis hin zum Produkt zurückverfolgen. Wenn jetzt beispielsweise die REWE aus Köln sagen würde, wir möchten, dass das Gras für unsere Obstschalen im Bio-Bereich hier aus der Region kommt, dann lässt sich das tatsächlich bewerkstelligen. Wir können dafür sorgen, dass Gras im Umkreis von 100 Kilometern um den Standort Köln verwendet wird, um daraus Verpackungsprodukte für den Kunden herzustellen. Im Grunde haben wir damit die Idee der regionalen Lieferketten, die es für Lebensmittel gibt, auf den Bereich Verpackung erweitert. So wird ein rundes Geschäft daraus!

 Schachtel aus Graspapier

Wie können andere im Rheinischen Revier von Ihrem Geschäftsmodell profitieren?

Auf zweifache Weise. Erstens schaffen wir eine Wertschöpfung in dieses Material hinein, das heute von den Landwirten oder den Kommunen nicht genutzt werden kann. Und andererseits glaube ich, kann die Art und Weise, wie wir grundsätzlich als Geschäftsmodell agieren, Vorbild sein für andere Unternehmen, die hier in der Region entstehen und sich mit dem Thema Ernährung, Lebensmittel, und Verpackung beschäftigen. Wenn jemand diesen Nachhaltigkeitsgedanken auf die Verpackung erweitern möchte, sind wir ein perfekter Partner hierfür. Wenn sie beispielsweise an einen Geflügelhof hier in der Region denken, der auch die Verpackung nachhaltig machen möchte, dann bekommt er von uns Eierkartons mit dem Gras aus der Ressourcen-Landschaft.

Essentiell für die Bioökonomie ist es, biogene Rohstoffe in einer Kreislaufwirtschaft zu betreiben. Wie funktioniert Kreislaufwirtschaft bei Creapaper?

Nachhaltigkeit beginnt für Creapaper beim Rohstoff Gras. Gras ist eine natürliche Pflanze, die in den meisten Fällen nicht genutzt wird. Für viele Landwirte und Kommunen stellt Gras heute eher ein Problem dar: bei Flächen, die sie aus Naturschutzgründen nicht bewirtschaften dürfen, bleibt das Grünland stehen, bis die Blumen verblüht sind und die Bienen Futter gefunden haben. Erst im Juni kann der erste Grasschnitt erfolgen. Doch dann ist das Material verholzt und eignet sich nicht mehr für Tierfutter. Für den Landwirt ist es damit weitestgehend wertlos geworden. Für die Herstellung von Graspapier bringt dieses Material jedoch plötzlich Wertschöpfung in die Region – wir machen aus einem Abfallstoff einen neuen Rohstoff mit Wirtschaftskraft.

Aus Sicht unserer Kunden und Endanwender ist wichtig, dass das Material, das wir anbieten, entweder recyclierbar oder kompostierbar ist. Die Frage ist also, wie ich die Grasverpackung in die vorhandenen Rohstoffkreisläufe integriere? Dies können wir bei Creapaper gewährleisten, indem wir ausschließlich Materialien verwenden, die im normalen Papierkreislauf recyclierbar und kompostierbar sind. Im Idealfall sind die Materialien auch industriell kompostierbar, daß heißt, es sollen möglichst keine Zwei-Komponenten-Produkte mit Folien oder Polymeren in der Papierrezeptur entstehen. Wir bevorzugen das reine, recyclierbare Faserprodukt aus der Grasfaser.

Eine visionäre Frage zum Schluß: Wo sehen Sie Creapaper in 20 Jahren?

Ich glaube, dass Creapaper perfekt geeignet ist für ein börsen-notiertes Unternehmen. Man gibt einem Aktionär hiermit die einzigartige Möglichkeit, selbst aktiv mitzumachen. Wenn man von einem Unternehmen wie Creapaper Aktien besitzt, hat man das Gefühl, jeden Tag etwas bewirken zu können. Das ist, was uns antreibt.

In 20 Jahren werden wir hoffentlich keinen Baum mehr fällen müssen, um daraus irgendwelche faserbasierten Karton- oder Papierprodukte zu machen. Ich hoffe, dass wir es schaffen, Gras als Rohstoff in der Industrie zu etablieren und so dazu beizutragen, weitere Rohstoffe alternativ zu Holz für die Papier-Herstellung zu etablieren. Ein Beispiel könnte Stroh sein oder Rezepturen aus Gras mit Stroh oder Hopfen und Hanf, so daß ich dann ein komplett baumfreies Papier hätte.

Tüte aus Graspapier

Das Interview führte Anke Krüger

Mehr über Creapaper - the grass fiber company: www.creapaper.de

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