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Quelle: privat
Bernd Lüttgens
27.04.2020

Landwirtschaft: Bernd Lüttgens über Chancen im Rheinischen Revier

Die Landwirtschaft im Rheinischen Revier hat mit sehr guten Böden und einem ausgewogenen Klima seit jeher beste Bedingungen, wertvolle Nahrungsmittel zu produzieren. Doch Flächenverlust und Klimawandel beschäftigen unsere Branche und drängen zum Umdenken.

Ziel ist es, mit der schnellen Umsetzung wissenschaftlicher Erkenntnis – also mit Innovationen – die Zukunftsfähigkeit der Landwirtschaft zu erhalten und die Wirkung der Produktion auf die Umweltgüter zu minimieren.

Die Landwirtschaft im Rheinischen Revier möchte die Menschen in der Region auch zukünftig mit sicheren, regionalen Lebensmitteln versorgen und darüber hinaus im Sinne einer Kreislaufwirtschaft wertvolle Rohstoffe produzieren und bio-basierte Reststoffe weiter verwerten.

Die Koordinierungsstelle BioökonomieREVIER hat bei Dr. Bernd Lüttgens, stellvertretender Geschäftsführer des Rheinischen Landwirtschafts-Verbandes RLV e.V., nachgefragt, wie die regionale Landwirtschaft in 20 Jahren aussehen kann.

Herr Dr. Lüttgens, wofür steht der Rheinische Landwirtschafts-Verband?

Der Rheinische Landwirtschafts-Verband ist eine regionale Interessensvertretung von rund 14.000 Familien der Regierungsbezirke Köln und Düsseldorf. Wir setzen uns für eine nachhaltige Landbewirtschaftung ein, die den bäuerlichen Familienbetrieben eine Zukunftsperspektive bietet. Wir stehen für eine starke Agrarwirtschaft im ländlichen Raum des Rheinischen Reviers.

Was bedeutet Innovation für Sie und was sind Herausforderungen im Hinblick auf Klimawandel und den Weltmarkt?

Richtig ist, dass die Geschwindigkeit der Anpassung an den Klimawandel die größte Herausforderung für die Landwirtschaft in der Region ist. Bei aller Diskussion um den Weltmarkt für Agrarerzeugnisse, liegt unser Fokus immer auf dem heimischen Verbraucher. Dabei richten wir unsere Produktion im Kern sowohl auf die regionale Lebensmittelproduktion aus, sehen aber auch eine große Chance im Anbau von nachwachsenden Rohstoffen, die einen Beitrag zur Decarbonisierung leisten und in den mittelständischen Unternehmen der Region Verwendung finden können. Daher setzen wir auf die Umsetzung von Erkenntnissen aus den wissenschaftlichen Instituten in der Region, die uns eine Handlungsanleitung geben, mit welchen Innovationen wir uns an den Klimawandel anpassen können. Wir sehen in verschiedenen Bereichen wichtige Innovationspotentiale für die Landwirtschaft. Da ist zum einen der Bereich der Digitalisierung, also die Nutzung von Daten zur angepassten Nutzung von natürlichen Ressourcen bei gleichzeitiger Sicherung der Erträge und Minderung der Auswirkungen auf die Umwelt, etwa im Bereich Wasserschutz. Dazu gehört eine innovative Pflanzenzüchtung. Wir brauchen Kulturarten und Sorten, die auch zukünftig bei einem sich verändernden Klima hohe Ertragsleistungen haben und die gleichzeitig widerstandsfähig gegen Krankheiten sind.

Soja aus heimischem Anbau

Soja aus heimischem Anbau (Quelle RLV)

Welcher Art sind die Strukturumbrüche in der Landwirtschaft im Rheinischen Revier?

Die Landwirtschaft in der Region ist in den letzten Jahren immer wieder im Wandel gewesen. Dieser leitet sich zum einen aus dem technischen Fortschritt ab und zum anderen aus der Anpassung an den Markterfordernissen. Eine Besonderheit in der Region, die den Wandel in der Landwirtschaft zusätzlich forciert hat, ist der umfangreiche Verlust von landwirtschaftlichen Flächen, der im Bundesvergleich wohl überdurchschnittlich ist. Verbindet man diese Faktoren, lässt sich aus unternehmerischer Sicht folgende Formel ableiten: Begrenzte Verfügbarkeit von Flächen verlangt eine nachhaltige effiziente Produktion unter Einsatz der jeweils besten zur Verfügung stehenden modernen Technologien auf Flächen. Nur so kann angesichts der Bevölkerungsdichte der Region zwischen Köln und Aachen auf den besten Bördeböden in einer Bördelandschaft ein Beitrag zur regionalen Versorgung mit Nahrungsmitteln sichergestellt werden.

Welche Chancen bietet die Bioökonomie mit einer nachhaltigen Kreislaufwirtschaft für die Landwirtschaft?

Wir haben im Rheinischen Revier die Chance, ein echter Schrittmacher für die Bioökonomie zu werden, bei dem die Landwirtschaft eine Schlüsselstellung insofern einnehmen kann, dass mit der Bioökonomie verschiedenste landwirtschaftliche Erzeugnisse stofflich verwertet werden. Wir können so ein vielfältiges Landschaftsbild schaffen und gleichzeitig Wertschöpfung von der Fläche generieren. Denkbar wäre die Nutzung von Gras auf extensiven Flächen zur Erzeugung von Pappe und Papier. Hier gibt es mit Creapaper ein gutes Beispiel. Stroh als natürliches Dämmmaterial für Häuser, das von Landwirten in der Region als Chance nach vorne getragen wird. Mit der Rheinischen Ackerbohne haben die Landwirte in der Region ein echtes Zukunftskonzept auf den Weg gebracht, mit dem schon heute ein großes Chancenpotential genutzt wird. Es zeigt sich doch, dass die Kombination Erzeugung landwirtschaftlicher Produktion und Nutzung von Reststoffen, die in der Regel auch gut wiederverwendet werden können, den Treibstoff für den Zukunftsmotor Bioökonomie in der Region liefern. So kann ein Beitrag zur Reduktion der Rohstoffabhängigkeit der regionalen Wirtschaft geleistet werden, der den zukünftigen gesellschaftlichen Herausforderungen, etwa bei der CO2 Reduktion, gerecht wird.

Der Bereich der Bioökonomie ist ein Zukunftsmodell für die Landwirtschaft. Wir können hier ein wichtiges Absatzpotential gewinnen, indem wir nachhaltig produzierte Rohstoffe für die verschiedenen Verwendungsbereiche produzieren. Nachfolgend werden Reststoffverwertungen wiederum eingesetzt in der landwirtschaftlichen Nutzung - als Düngemittel oder als Ausgangsprodukt für neue Produktionsbereiche, etwa in Bioraffinerien.

Das BioökonomieREVIER Rheinland soll Modellregion werden für die Bioökonomie: Was sind Ihre Erwartungen als Verband?

Wir sehen hierin ein Konzept, das die Stärken der Region nachhaltig stärkt. Schließlich findet eine Vernetzung von Wissenschaft, innovativen Unternehmen auf der Verarbeitungsseite und Landwirten, die für Neuerungen offen sind, in der Region statt. So wird der Knowledge Transfer innerhalb dieses Netzwerks nicht nur die Unternehmen in der Region stärken, sondern nach unseren Erwartungen eine Strahlwirkung für weit über das Revier hinaus haben. Für die Landwirtschaft in der Region entsteht die Chance neuer Wertschöpfungskonzepte, bei der neben der Erzeugung von Rohstoffen auch die Reststoffverwertung wieder an Bedeutung gewinnt. Wir sind überzeugt, dass wir eine Region der integrierten Wertschöpfungsketten haben, bei denen Landwirte und Verarbeitungsunternehmen intensiv zusammenarbeiten, um eine möglichst nachhaltige Produktion und Verwertung der biogenen Rohstoffe zu koordinieren.

Wichtig ist uns, dass wir die Chance der Modellregion dazu nutzen sollten, mit dem Thema Bioökonomie die gesellschaftspolitischen Spannungsfelder – bei der Landwirtschaft auf der einen Seite und Natur- und Wasserschutz auf der anderen steht – zu versöhnen. Gerade die Chancen, die im Bereich der Rekultivierung der Tagebau-Nachfolgelandschaften liegen, sollten wir nutzen, um mit einer landwirtschaftlichen Produktion der Landschaft ein Bild zu geben und gleichzeitig einen Beitrag für Natur- und Wasserschutz zu leisten. Dazu brauchen wir eine umfangreiche landwirtschaftliche Rekultivierung.

Quo Vadis - wie ist Ihre Version von der rheinischen Landwirtschaft in der Zukunft?

„Wir wollen die Zukunftsmacher sein" – so haben es unsere jungen Bauern formuliert. Innovative landwirtschaftliche Betriebe, die in integrierten Ketten Innovationen adaptieren und zugleich Motor für Neuerungen sind. In der Produktion werden die Betriebe verstärkt auf Digitalisierung und Robotik setzen, die in der Region mit den Forschungseinrichtungen und Landtechnikunternehmen, wie der Firma Lemken, entwickelt und produziert werden. Ein auf die Region zugeschnittenes Wassermanagement schafft eine hohe Anbausicherheit und reduziert die Umweltwirkung der Landwirtschaft. Das angebaute Kulturartenspektrum wird breiter sein, weil die Textilindustrie, die Plastikindustrie oder die Lebensmittelproduktion aus den verschiedensten Pflanzen neue Produkte schaffen kann und auch Reststoffe sinnvoll verwertet. Die Vielfalt der Produktion bereichert das Landschaftsbild und steigert die Attraktivität der Bördelandschaft.

Das Interview führte Anke Krüger (BioökonomieREVIER)

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